Kerstin Stakemeier

 Niagaras

Bewegunsgesetze in den Arbeiten von Stef Heidhues

„It is a simple concept. People are made of carbon. Diamonds are made of carbon. Why not make diamonds out of people?“

Esther Leslie schreibt über LifeGem, eine Firma die keine Beerdigungen anbietet, sondern die Umwandlung der Asche in einen Diamanten. Es geht um Erinnerung aber auch um Kohlenstoff, um den Übergang von Mensch und Natur, um ihre Ähnlichkeit und darum, dass beide wesentlich aus einer Konstruktion resultieren und in eine Konstruktion übergehen. Dabei ist die Stoffarchitektur des Menschen nicht etwas das sich gegen ihn richtet, sondern vielmehr die Einsicht in die Konstruktion eröffnet, deren Verantwortung es zu übernehmen gilt. Immer.

In Stef Heidhues Arbeiten regiert die Konstruktion. Es gibt kein Aussen zu ihr. Auch die Natur, die in den Collagen auftaucht und von den Installationen nachgestellt wird, ist Konstruktion. Betrachter/inne/n wird die romantische Fluchtperspektive auf eine ursprüngliche Idylle genommen. Heidhues Idylle ist zusammengesetzt aus den Oberflächen einer entropischen Entwicklung. Die Menschen sind in ihr nicht ersetzt worden, aber das Dekor ist in sie übergegangen. Natur und Architektur überkreuzen sich unentwegt, keine der beiden scheint ursprünglicher, doch zwischen beiden finden sich die Subjekte wieder, umzingelt von scheinbar zwecklos gewordenen Formen der Moderne. Heidhues übernimmt die Verantwortung für die (Re)Konstruktion, doch ihr Versprechen ist kein utopisches mehr, sondern der Ausblick auf eine Verlaufsform. Sie behandelt die „zweite Natur der Menschengebilde“ als sei sie die erste: sie wird Ausgangspunkt nicht einer Rekonstruktion ihrer Herkun ft, sondern einer Konstruktion ihrer möglichen Verläufe. Ihre Materialien sind unorganisch, artifiziell, von den gegossenen Gipsskulturen, deren funktional wirkende Körper immer ihre Form ins Dysfunktionale entgleiten lassen, bis zu den Furnierelemente ihrer architektonischen Bauten, die ihren Maßstab verlieren, da nur noch ihre Blickachsen ihre Körper bestimmen. Die Ausbreitung der Arbeiten über Collagen, Skulpturen und Installationen führt zu Verkettungen, die auch Heidhues eigener Arbeit den Anschein einer in sich geschlossenen Natur verleihen – einer Welt nach der Natur. Das Entropische, das ihren Arbeiten anhaftet, liegt darin, dass die Konstruktionsprinzipien, die sie den historischen Formen, Stadtszenerien und Formwelten zusetzt, keinen Ausgang vorzeichnet, sondern die Situation anhält die sie herstellen. Heidhues Arbeiten konstruiert Stillstände, eine geschlossene Welt aus offenen Situationen.

Esther Leslie, Synthetic Worlds, Reaktion Books Ltd., 2005, 251.

Georg Lukacs, Die Theorie des Romans, Berlin, 1971, S. 54.

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