Ausstellung GEWAND IN DREI AKTEN – Stef Heidhues

OBERFLÄCHENTIEFE

Das Verhältnis von Linie zur Fläche, die Spannung zwischen Raum und Umraum bestimmen die Arbeit von Stef Heidhues. Ihre Raumarbeiten oszillieren zwischen greifbarer Oberfläche und verkapseltem Tiefengrund und sind verankert in unterschiedlichen kunsthistorischen Schichten, die ihre Arbeiten auf das Tiefste mit Plastik und Skulptur verschränken.  Noch einmal gelingt der Künstlerin ein Wagnis, wenn sie die Schönheit dreidimensionaler Körper als Herausforderung neu formuliert. Sie vermisst noch einmal, was Wandrelief, was raumhaltige Skulptur mit dem Umraum machen kann und umgekehrt spürt sie der Frage nach, wie der Raum das Werk berührt.

Lufthaltigen Leerstellen

Ein Partner im Geist ist Marcel Breuer. Wie der Entwerfer und Architekt, schafft sie Skulpturen. Während ihr Kollege Stühle und Sessel entwickelte, die aus nichts anderem bestehen als aus Linien und Flächen, entwirft die Künstlerin bildhauerische Arbeiten, die sich mit demselben Phänomen beschäftigen: wie sieht das Verhältnis zwischen zeichnerischen Linien und graphischen Flächen aus, wie interagieren raumhaltigen Formen und die lufthaltigen Leerstellen dazwischen? Breuer zeigt das an einem scheinbaren Nutzobjekt – einem Sessel. Doch der weltberühmte Wassily Chair ist zwar ein Möbel aber mehr noch eine Skulptur, die mit bildhauerischer Kraft den Raum einzunehmen versteht.  Breuer entwirft grundsätzlich wie ein Bildhauer und dieser Duktus schafft zwischen den Linien des glänzenden Stahlrohrs und den papierdünnen Sitz- und Lehnflächen die alles entscheidenden Freiräume, die ebenso raumhaltig sind wie die sich gegenseitig überschneidenden Konstruktionen des Sessels.

Weite des Umraums

Stef Heidhues arbeitet genauso. Sie ist wie Breuer eine klassische Bildhauererin, die weder Stein noch Gips und Bronze benötigt und stattdessen die gefundenen Schönheitsformen, die sie auf ihren Wegen durch die Welt sieht und ihre innewohnenden Qualitäten erkennt, durchdringt und neu komponiert. Allseitig erfassbare Skulpturen verdichten die Weite des Umraums und ihre wandgebundene, dem Relief verbundene Arbeiten, feiern die Schönheit ihrer Oberflächen. Gummi und PVC hängen über vektorenartigen Linien, die in die Unendlichkeit weisen. Mal sind diese Flächen ausgeschnittene Rechtecke, mal werden sie wie mit Capability Browns „schöner Linie“ gekurvt konturiert, wie dessen Wege in seinen Landschaftsgärten.  Kreisrunde Punkte werden ausgeschnitten oder aus Metall aufgesetzt und wie in den Bildern Moholy-Nagys orientiert sich das Auge an klaren absoluten Rundformen inmitten des Spiels von Zwei- und Dreidimensionalität, Stabilität und Instabilität.

Widersprüche tun sich auf inmitten der Schönheit von Material und Komposition, denn das was wir sehen, ist immer nur ein Ausschnitt, das Innere, das Zwingende von Stef Heidhues Arbeiten verbirgt sich im Nukleus ihrer Arbeiten und erst durch das Ich des Betrachtenden kann es sichtbar werden. Wie auf der Bühne, zu der hinter dem Rückprospekt immer auch das Verborgene gehört, verschränken sich in Stef Heidhues‘ Raumarbeiten ihr subjektives Verhältnis zur Welt und ihr Mut zu zeigen und zugleich zu verbergen. Alles in ihrer Kunst ist Absicht.

Jan Maruhn

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